Landtagsdebatte zur Verabschiedung des Haushalts 2017/18
3. März 2017

Pähle: Vom Verwalten zum Gestalten übergehen

„Eine Nagelprobe für die ungewöhnliche Koalition, die dieses Land regiert“ – so bezeichnet die Fraktionsvorsitzende der SPD, Katja Pähle, in der heutigen Landtagsdebatte die Verabschiedung des Doppelhaushaltes für 2017 und 2018. „Es wird Zeit, dass dieser Haushalt in Kraft tritt und bewirtschaftet werden kann. Es wird Zeit, dass die Landesregierung in allen Ressorts vom Verwalten zum Gestalten übergehen kann, mit Spielräumen für neue Projekte und Investitionen.“

Die Ausführungen von Katja Pähle im Einzelnen:

Wir müssen denen, die uns das Geld anvertraut haben, die Frage beantworten: „Was machen Sie mit 22 Milliarden?“ Man kann die Antwort kompliziert machen und sich in Einzelpositionen verlieren. Man kann es aber auch auf den Punkt bringen:

Wir sorgen mit diesen 22 Milliarden Euro dafür, dass der Staat seine Aufgaben für das Gemeinwohl in unserem Land erfüllen kann. Wir sorgen dafür, dass die Kommunen das in ihrem Verantwortungsbereich auch können. Wir kümmern uns darum, dass in den Bereichen, in denen in den letzten Jahren zu viel Personal eingespart wurde, die Entwicklung jetzt wieder deutlich in die andere Richtung geht. Wir leisten unseren Beitrag dafür, dass niemand zurückgelassen wird, wenn Wirtschaft, Arbeit und Gesellschaft sich verändern. Und wir achten dabei darauf, dass der Landeshaushalt auch in Zukunft die Stabilitätskriterien einhält und dem Land kein Geld verloren geht.

Nach den ersten Verbesserungen am Kinderförderungsgesetz und der Reform des kommunalen Finanzausgleichs ist dieser erste gemeinsame Haushalt eine weitere Nagelprobe für die ungewöhnliche Koalition, die dieses Land regiert.

Er legt die Grundlage, die wir brauchen, um den Koalitionsvertrag umzusetzen und um die darin vereinbarten Vorhaben Wirklichkeit werden zu lassen. Wenn der Haushalt heute Mittag angenommen wird, zeigen wir, dass wir gemeinsam gestalten können, obwohl wir von sehr unterschiedlichen politischen Positionen kommen. Ich will nicht sagen, dass wir die Aufgabe bravourös gemeistert hätten; dafür hat es zu oft gehakt und gescheppert. Aber ich sage aus Überzeugung, dass wir heute zufrieden sein können.

Zufrieden, weil niemand in der Koalition seine Ansprüche an diesen Haushalt überdehnt hat und weil das Umsteuern in der Personalpolitik in der Koalition gemeinsam getragen wird; zufrieden, weil das, was heute zur Beschlussfassung vorliegt, solide gerechnet und tragfähig ist; zufrieden aber vor allem deshalb, weil die Menschen in Sachsen-Anhalt von diesem Haushalt profitieren werden.

Es wird wirklich Zeit, dass dieser Haushalt in Kraft tritt und bewirtschaftet werden kann. Es wird Zeit, dass die Landesregierung in allen Ressorts vom Verwalten zum Gestalten übergehen kann, mit Spielräumen für neue Projekte und Investitionen. Denn erst wenn aus dem Geld, das heute freigegeben wird, sichtbare Fortschritte werden, dann erst können die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehen, was sie von unserer Politik haben. Erst dann werden Haushaltszahlen greifbar und  verständlich.

  • Zum Beispiel 14,5 Millionen Euro in diesem Jahr und 20,5 Millionen im nächsten für die Ausbildung des Nachwuchses bei der Polizei – nach nur 6,8 Millionen im Jahr 2016. Dieses Geld macht es möglich, dass im Jahr 2019 wieder 700 Polizistinnen und Polizisten neu in den Polizeidienst eintreten können. Das haben wir versprochen, das werden wir halten – auch wenn wir, das zeigen die Presseveröffentlichungen der letzten Tage, noch gute Lösungen brauchen, um den Polizeiberuf attraktiv für qualifizierte junge Leute zu machen.
  • Zum Beispiel 182 Millionen Euro mehr für die Kommunen. Dieses Geld gibt Städten und Gemeinden die Chance, das bislang von der Schließung bedrohte Schwimmbad aufrechtzuerhalten den Eigenanteil bei der Sanierung von Schulen aufzubringen und die Elternbeiträge für Kindertagesstätten stabil zu halten. Das haben wir versprochen, das werden wir halten.
  • Zum Beispiel 4,4 Millionen Euro zusätzlich für neue Lehrerinnen und Lehrer. Das bedeutet am Ende dieses Jahres 80 neue Lehrerinnen und Lehrer vor unseren Schulklassen, zusätzlich zu denen, die die ausscheidenden Lehrkräfte ersetzen. Das haben wir versprochen, das werden wir halten.

Große Zahlen. Aber auch solche Summen finden sich:

  • 850.000 Euro, mit denen in jedem Frauenhaus eine halbe Stelle für eine Betreuungskraft für die oft durch Gewalterfahrung traumatisierten Kinder in Frauenhäusern bezahlt werden kann. Ich hätte mich geschämt, wenn wir dieses Geld im Haushalt nicht aufgebracht hätten.

 

Ich will zwei Vorhaben besonders hervorheben, die exemplarisch für den Gestaltungsansatz der SPD in diesem Haushalt stehen.

Da ist zum einen die Grundfinanzierung der Hochschulen, die wir um jährlich 15 Millionen Euro erhöhen. Das ist das sichtbare Zeichen für eine Kurskorrektur im Bereich der Hochschulfinanzierung und damit für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit unseres Landes. Wir bekennen uns zu der Leuchtturmfunktion der Hochschulen, die Sachsen-Anhalt eine Ausstrahlungskraft verleiht, die durch nichts anderes ersetzt werden kann. Hinzu kommen 16,8 Millionen Euro für dringend notwendige Investitionen in den Unikliniken. Und mit – auch über die Jahre 2017/2018 hinaus eingeplanten – Mitteln von rund 120 Millionen Euro wird in Magdeburg der Bau des Herzzentrums und in Halle der Ersatzneubau für das Bettenhaus II vorangebracht.

Da sind zum anderen die Vorhaben im Bereich des sozialen Arbeitsmarktes. Mit 15 Millionen Euro für 2017 und 2018 und Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre ist das Programm für die gesamte Legislaturperiode ausfinanziert. Mit den Landesmitteln, die wir hier investieren, soll vor allem eine Gruppe eine Chance bekommen, die bei klassischen Arbeitsmarktprogrammen durch den Rost fällt: Menschen, die seit langer Zeit keine Arbeit haben oder noch nie Arbeit hatten und die sich ohne intensive Betreuung nicht in Arbeitsverhältnisse einfinden können. Sie stehen im Mittelpunkt des Programms „Sozialer Arbeitsmarkt“. Damit sie stabilisiert werden, durch eigene Arbeit teilhaben am Gemeinschaftsleben und perspektivisch in arbeitsmarktnahe Programme wechseln können.

2.000 Menschen sollen von diesem Programm profitieren.

Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen der Linksfraktion, kann ich Ihren Änderungsantrag beim besten Willen nicht nachvollziehen. Sie wollen das Programm „Sozialer Arbeitsmarkt“ mit einem Sperrvermerk belegen und fordern, dass die zu schaffenden Arbeitsplätze voll sozialversicherungspflichtig sein sollen. Das klingt sicher gut, aber es zeigt mir, dass Sie sich überhaupt nicht damit auseinandergesetzt haben, welcher Zielgruppe hier geholfen werden soll und wie sie Schritt für Schritt erst wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden soll.

Genauso wenig Verständnis habe ich für den Vorschlag, das Kompetenzzentrum Soziale Innovation zu streichen. Ihre Vorstellung, dass Sachsen-Anhalts Politik auf eigene Ideen und Gestaltungsansprüche verzichten soll und bloß Konzepte irgendwo abschreiben soll, ist nicht unsere Vorstellung.

Die beiden Pole, die ich Ihnen genannt habe – Stärkung der Innovationskraft der Hochschulen und sozialer Arbeitsmarkt –, zeigen, dass wir beides wollen: voranschreiten – und niemanden zurücklassen. Nur beide Ansätze zusammen machen aus Sachsen-Anhalt ein lebenswertes Land.

Diese Ansätze integriert voranzubringen – das ist zukunftsfähige Politik. Petra Grimm-Benne und Armin Willingmann mit ihren Ressorts werden gemeinsam in den nächsten Jahren am Thema „Arbeit 4.0 – Industrie 4.0“ arbeiten. Wir wollen die Entwicklungen, die uns ins Haus stehen, nicht erdulden und abfedern, sondern offensiv gestalten.

Dieser Haushalt steht auch für die Förderung von demokratischer Kultur und politischer Bildung, für die Zurückdrängung von Rechtsextremismus und für den Schutz vor terroristischen Bedrohungen, für die Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt, für die Förderung des friedlichen Zusammenlebens der Menschen in unserem Land, unabhängig von ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Religion, ihrem Geschlecht und ihrer sexuellen Identität. Dazu bekennen wir uns heute ausdrücklich.

Die AfD tut so, als könne Sachsen-Anhalt im finanziellen Schlaraffenland leben, wenn man alle Ausgaben streicht, die auch nur im Entferntesten mit Flüchtlingen zu tun haben. Mal abgesehen davon, dass das eine Milchmädchenrechnung ist – in Wahrheit richtet sich doch die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der AfD genauso gegen Einheimische wie gegen Migrantinnen und Migranten.

Ich erinnere nur daran, wie in der Debatte über die Zukunft der Schulsozialarbeit von der AfD der gesamte Ansatz als links-grüner Politquatsch abgetan wurde, verbunden mit der Botschaft: Schülerinnen und Schüler, deren Lernerfolg bedroht ist, sollen sich halt anstrengen. Sie wissen so gut wie wir, dass diese Kinder oft aus Familien kommen, in denen sie nicht vermittelt bekommen, dass Anstrengung sich lohnt und Lernen belohnt wird. Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist: Diese Menschen können noch so deutsch sein – sie sind Ihnen vollkommen gleichgültig. Sie haben sie aufgegeben.

Wir tun das nicht. Wir wollen jeden mitnehmen. Jeder und jede gehört dazu!

Ich will die Gelegenheit nutzen, noch ein wenig in die finanzpolitische Zukunft zu schauen.

Da ist zum einen ein Merkposten für die laufende Haushaltsperiode, den wir nicht aus den Augen verlieren dürfen. Der Landtag hat im September letzten Jahres beschlossen, dass die Mittel aus dem gescheiterten Betreuungsgeld des Bundes auch 2018 – wie schon 2016 und 2017 – für die Entlastung der Eltern bei den Kita-Beiträgen eingesetzt werden sollen. Der Haushalt berücksichtigt dies für 2018 noch nicht, weil das Ergebnis der laufenden Evaluierung des KiFöG noch nicht vorliegt und Konsequenzen für künftige Finanzierungswege noch nicht bekannt sind, ebenso wenig wie mögliche Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem laufenden Verfahren. Wir sollten nur darauf achten, dass der Schutz der Eltern vor übermäßigen Beiträgen auch für 2018 auf der Tagesordnung bleibt.

Für die weitere Finanzplanung und für die künftigen Haushalte dieser Koalition möchte ich gerne drei Ziele formulieren, nicht zuletzt im Interesse der Glaubwürdigkeit der Politik.

Erstens: Leitfaden für die Aufstellung künftiger Haushalte ist die Gesamtheit der von der Koalition vereinbarten Vorhaben. Die Geschäftsgrundlage ist nicht: Wir verwirklichen ein paar Prioritäten, und der Rest wird zugunsten der Haushaltskonsolidierung geschreddert – sondern unser Ziel muss es sein, für alle Vorhaben eine solide finanzielle Basis zu erarbeiten.

Zweitens: Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um künftige Haushaltsüberschüsse so weit wie möglich nutzbar zu machen, damit wir mehr finanziellen Spielraum erhalten. Dass eingespartes Geld nur zu einem Bruchteil im Folgejahr investiert werden kann, ist den Bürgerinnen und Bürgern kaum zu vermitteln. Denn um mal ein Beispiel zu nennen: 80 zusätzliche Lehrerinnen und Lehrer sind nur ein Bruchteil dessen, was wir brauchen, um das vereinbarte Ziel von insgesamt 16.400 Vollzeitstellen an den Schulen und eine tatsächliche Unterrichtsversorgung von 103 Prozent zu erreichen. Ich verspreche, dass meine Fraktion an dem Thema dauerhaft so hartnäckig dranbleiben wird wie während der Haushaltsberatungen.

Drittens: Wir sollten alle Möglichkeiten ausschöpfen, um künftige neue Finanzierungshilfen des Bundes für unser Land nutzbar zu machen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung eine gesetzliche Initiative zur Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung unternehmen wird. Ich gehe davon aus, dass dazu auch finanzielle Anreize geschaffen werden, die wir uns nicht entgehen lassen sollten. Wir sollten uns darüber hinaus für weitere Lockerungen der bestehenden Kooperationsverbote stark machen. Ein Beispiel: Ich hatte in der vergangenen Woche die Gelegenheit, dem SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz vorzustellen, wie sich die Hochschulpolitiker meiner Partei eine Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der zukünftigen Finanzierung der Hochschulmedizin vorstellen. Hier liegen Potentiale, um das Land wirksam zu entlasten.

Ich möchte nach anstrengenden Haushaltsberatungen namens meiner Fraktion unseren Dank aussprechen:

  • den Dank an alle, die von außerhalb des Landtags auf Verbesserungen am Haushaltsentwurf gedrängt haben – ob das nun die demonstrierenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unikliniken waren oder zahlreiche Vereine und Verbände, die Träger zivilgesellschaftlicher Kultur in unserem Lande sind.
  • Ich danke besonders all denen in den Ministerien, die mitgeholfen haben, die Probleme des Übergangs zu meistern und dafür zu sorgen, dass während der vorläufigen Haushaltsführung laufende Projekte fortgeführt werden konnten.
  • Ich danke den Abgeordneten aller demokratischen Parteien, die sich mit konstruktiven Vorschlägen in  die Haushaltsberatungen eingebracht haben, aber insbesondere auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Finanzministeriums und der anderen Ministerien, der Ausschüsse des Landtages, der Landtagsverwaltung und der demokratischen Fraktionen dieses Hauses. Kein Haushalt würde je ohne die Leistung dieser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zustande kommen.
  • Und ich danke ganz persönlich auch dem Finanzminister für seine kollegiale Gesprächsführung und für seine unaufgeregte Art. Sie können sicher sein: Gerade die SPD-Fraktion weiß einen gelassenen Finanzminister ganz besonders zu schätzen.