Regierungserklärung
2. Juni 2016

Pähle: Ob Menschen Politik als verlässlich empfinden, entscheidet sich an unseren konkreten Vorhaben

In der heutigen Landtagsdebatte über die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle:

Ob Sachsen-Anhalt verlässlich, gerecht und nachhaltig regiert wird, das entscheidet sich nicht durch eine Regierungserklärung und nicht durch die Debatte darüber im Landtag. Ob die Menschen unsere Politik als verlässlich empfinden werden, ob sie das Handeln von Regierung und Parlament als gerecht erleben und in ihrem Alltag erfahren, dass wir für einen sozialen Ausgleich sorgen, ob unseren Entscheidungen nachhaltige Wirkung zugeschrieben wird und Sachsen-Anhalt zukunftsfähig gestaltet wird – all das entscheidet sich nicht an dem, was wir sagen, sondern vielmehr an unseren konkreten Vorhaben, die wir auf den Weg bringen, wie etwa den kommunal- und bürgerfreundlichen Sofortmaßnahmen beim Kinderförderungsgesetz, die wir gleich im Anschluss verhandeln werden.

Aber natürlich ist es gut und richtig, dass die Regierung zu Beginn einer Wahlperiode die Generallinie ihres Handelns darlegt und im Landtag zur Diskussion stellt. Ministerpräsident Haseloff hat in seiner Regierungserklärung die ganze Bandbreite der Politikansätze und Projekte dargelegt, mit denen die Koalition unser Land voranbringen will. 

Ich will nicht auf die Breite dieser Themen eingehen. Ich will darüber sprechen, was der sozialdemokratische Beitrag zu dieser Koalition ist und warum es gut ist, dass meine Partei den Weg in diese neue, ungewöhnliche und ungewohnte Konstellation gegangen ist. Ich kenne die Meinung: Parteien, die allesamt Stimmenanteile verloren haben, haben nicht das Mandat, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam eine Regierung zu bilden. Aber das ist, denke ich, ein Irrtum. Denn Menschen gehen nur selten zur Wahl mit einer festen Vorstellung davon, wie der zu wählende Landtag am Ende zusammengesetzt sein wird. Sie wählen Parteien und Personen, denen sie eine Vertretung ihrer Interessen zutrauen. Unsere Aufgabe ist es, durch unsere Arbeit um dieses Zutrauen immer wieder neu zu werben.

Und weil das so ist, haben die Parteien, die eine gemeinsame inhaltliche Basis haben, das Mandat und den Auftrag, eine stabile Regierung zu bilden, damit die Interessen der Wählerinnen und Wähler wahrgenommen werden und aus politischen Debatten auch praktische Politik werden kann, die im besten Fall ihre Lebensverhältnisse direkt erfahrbar verbessern. Wir alle haben dabei die Aufgabe, aus Fehlern zu lernen und Politik besser, gerechter, verständlicher und bürgernäher zu machen. Und auch dafür braucht es eine Regierung, die Fehlentwicklungen korrigiert und neue Weichenstellungen vornimmt. Die SPD steht in dieser Koalition ein für eine Politik, die ernst damit macht, gute Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen, denn das ist eine sozialdemokratische Idee seit 153 Jahren. Nur die Rahmenbedingungen und die Ansprüche an gute Arbeit haben sich dabei immer wieder verändert.

In der Regierungserklärung wurde deutlich, dass das heute eine Aufgabe ist, für die man an vielen Stellschrauben drehen muss:

  • durch eine Neujustierung der Wirtschaftsförderung, die Mitnahmeeffekte vermeidet und nicht auch noch Arbeitsplatzabbau subventioniert. Fricopan ist uns allen gleich am Anfang der Legislaturperiode ein deutlicher Fingerzeig gewesen, und ich begrüße ausdrücklich, dass Minister Felgner umgehend die Debatte über die Konsequenzen angestoßen hat;
  • durch eine Stärkung der Tarifbindung auch über die Vergabe- und Fördermittelpraxis. Willkommen in Sachsen-Anhalt ist, wer gute Löhne zahlt, in die Qualifikation seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter investiert und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht;
  • durch einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt, auf dem auch die wieder eine Chance bekommen, die aus dem ersten Arbeitsmarkt seit langem herausgefallen sind. Jede und jeder soll die Möglichkeit haben, sich sinnvoll in das Gemeinwesen einzubringen und von eigener Arbeit zu leben;
  • durch dauerhaft gesicherte Investitionen in die Hochschulen und die verstärkte Förderung von Forschung in der Industrie. Denn die Qualität unserer Hochschulen steht für die Innovationskraft unsere Landes;
  • durch eine gezielte Förderung qualifizierter Zuwanderung und die Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeit. Nicht jeder kann einen schwarzen Nationalspieler zum Nachbarn haben – aber jeder freut sich, wenn ein neuer Arzt in der Nachbarschaft die Gesundheitsversorgung absichert. Völlig egal, woher er stammt.

Diese Politik für gute Arbeit geht Hand in Hand mit einer Sozialpolitik, die jene Menschen unterstützt, die unserer Solidarität bedürfen, die es den Menschen ermöglicht, Lebensrisiken abzusichern und abzufedern, die Menschen aber auch dazu befähigt, Benachteiligungen auszugleichen und zu überwinden und so eine aktive Rolle in Gesellschaft und Arbeitswelt zu spielen. Die Grundlagen dafür legen wir mit frühkindlicher Bildung für alle. Denn der Einsatz für gleiche Chancen beginnt schon hier. 

Die Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter sind zu Recht stolz auf den Vorsprung, den unser Land bei der Kinderbetreuung hat. Unsere Politik in dieser Wahlperiode wird diesen Vorsprung sichern. Sie zielt darauf ab, 

  • gute Arbeit auch für die Erzieherinnen und Erzieher zu gestalten und ihre angemessene Bezahlung abzusichern, ohne dass die Kommunen dadurch finanziell überstrapaziert werden,
  • auch in die Qualität der frühkindlichen Bildung zu investieren und
  • gleichzeitig die Angebote für alle Eltern bezahlbar zu halten. 

Der Gesetzentwurf zum KiFöG, den die Koalitionsfraktionen in enger Zusammenarbeit mit Ministerin Grimm-Benne erarbeitet haben, weist den Einstieg in diese Politik. Die SPD steht dafür ein, dass aus einem sehr engen Zusammenwirken der Ressorts Arbeit und Soziales einerseits und Wirtschaft und Wissenschaft andererseits eine Politik für starke Wirtschaft und gute Arbeit aus einem Guss entsteht. Das heißt für uns sowohl Unterstützung für jene, die Hilfe brauchen, um ihre eigenen Chancen entfalten zu können, als auch die Unterstützung von Wirtschaftswachstum und Innovation. Beides zielt gleichermaßen darauf ab, dass Menschen Arbeit finden und für sich selbst sorgen können. Dazu war es wichtig, zwei weitere Aufgabenfelder mit diesen Häusern zu verbinden: 

  • erstens die Digitalisierung, weil das eine eigenständige, grundlegende Aufgabe der Zukunftssicherung ist. Schnelles Internet für alle ist auch ein Gerechtigkeitsprojekt, weil wir keine Region abhängen dürfen von Existenzgründungschancen und netzbasierter Daseinsvorsorge. Und die Auseinandersetzung mit der voranschreitenden Digitalisierung von Industrieproduktion und allen anderen Wirtschaftsbereichen ist eine notwendige Aufgabe, um gute Arbeitsbedingungen, Mitbestimmung und Beschäftigungschancen in eine technologisch durchgreifend veränderte Arbeitswelt zu transferieren.
  • zweitens die Integration, die zur Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialministeriums hinzugekommen ist, weil sie für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft unerlässlich ist – ganz unabhängig von aktuellen Flüchtlingszahlen. Ich bin dem Ministerpräsidenten sehr dankbar dafür, dass er diese Herausforderung ausführlich beschrieben hat. Auf dieser Grundlage sollten wir gemeinsam Mut machen für ein gelingendes Zusammenleben und die verabredeten Maßnahmen konsequent umsetzen. 

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden jedem entgegentreten, der auf weitere Spaltung, Verunglimpfung und Ausgrenzung setzt. Unser Land wird seine Entwicklungspotentiale nur entfalten können, wenn jede und jeder darin mitwirken kann und sich mitgenommen fühlt. Wer hier lebt, braucht Zukunftschancen. Für die Rahmenbedingungen, für den Abbau von Benachteiligungen und dafür, dass es gerecht zugeht: Dafür ist Politik da, dafür stehen wir ein.

Lassen Sie mich abschließend kurz auf meinen Vorredner eingehen. Herr Poggenburg hat mit seiner Rede deutlich gemacht, welche inhaltlichen Impulse wir von der AfD für die Zukunft des Landes erwarten dürfen: keine. Was wir offenkundig stattdessen laufend erwarten müssen, sind immer neue Eskalationen und Provokationen gegen das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Ein Paradebeispiel dafür ist die Verunglimpfung von Jérôme Boateng durch Ihren stellvertretenden Parteivorsitzenden Gauland. Ein Beispiel ist aber insbesondere auch die Erklärung des Abgeordneten Tillschneider zur Haltung der Katholischen Kirche zum Thema Einwanderung.

Herr Poggenburg hat beide Äußerungen gerechtfertigt und über die verquasten Reden von Herrn Tillschneider über die Völker als „Gedanken Gottes“, in die der Mensch nicht durch „Vermischung“ eingreifen dürfe, gesagt: „Das ist die Haltung der AfD.“ Die AfD tut so, als wolle sie das christliche Abendland gegen den Islamismus verteidigen. In Wahrheit wird sie dem von ihr gemalten Feindbild immer ähnlicher: Erst bringen sie einen Hassprediger nach dem anderen hervor, und jetzt auch noch Gotteskrieger. 

Eins muss man AfD und Pegida aber lassen: Durch ihre kruden Ideen sind Fußballgucken und der Verzehr von Kinderschokolade gewissermaßen zum Bekenntnis gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit geworden. Beiden Aktionsformen sage ich für diesen Sommer hohe Beteiligungszahlen voraus und wünsche uns allen dabei viel Vergnügen.