Landtag diskutiert über politische Kultur
22. November 2018

Katja Pähle: #wirsindmehr und wir bleiben mehr

In der Aktuellen Debatte über die politische Kultur im Landtag von Sachsen-Anhalt erklärt die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle:

Genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass wir in diesem hohen Haus eine Aktuelle Debatte mit ähnlichem Titel führten, nämlich zum „Verfall der demokratischen Kultur in Sachsen-Anhalt“ – damals ausgerechnet von der Fraktion beantragt, die diesen Verfall in kürzester Zeit vorangetrieben hatte. Geändert hat sich seitdem wenig. Im Plenum folgte eine Verbalentgleisung der anderen. Ich erspare uns allen erneute Zitate. Die Urheber wussten dabei ganz genau, wie sie den Landtag mit ihren kalkulierten, abgelesenen Tabubrüchen nutzten: als Bühne, um ihre rechten Echokammern in den sozialen Netzwerken zu bedienen.

Politik lebt gerade im Plenum des Parlaments von der Zuspitzung. Das funktioniert aber nur auf einer demokratischen Basis, die von Respekt füreinander geprägt ist. Dabei müssen Grundrechte ernst genommen und dürfen nicht in Frage gestellt werden – wozu es auch gehört, Minderheiten nicht pauschal zu verunglimpfen.

Auf dem diesjährigen Sommerfest der Landtagspräsidentin wurde dann eine neue Qualität erreicht. Die Belästigungen und Handgreiflichkeiten von Fraktionsmitarbeitern der AfD gegenüber Abgeordneten anderer Fraktion waren eine besondere Grenzüberschreitung, die ich so nicht wieder erleben möchte.

Wenn dann auch noch einzelne AfD-Abgeordnete andere AfD-Abgeordnete wegen Tätlichkeiten anzeigen, trägt das das zu einem verstörenden Gesamteindruck des gesamten Parlaments bei. Dass Sie einander spinnefeind sind, ist Ihre Sache – aber dass das Parlament frei von Einschüchterung und Gewalt sein muss, das darf niemals zur Disposition stehen!

Wenn man sieht, mit wem sich die AfD-Fraktion und ihre Partei umgeben, ist aber vieles nicht verwunderlich. Der parteieigene Unvereinbarkeitsbeschluss war schon immer ein löchriges Feigenblatt. Durch das Bürgerbüro des Abgeordneten Tillschneider im identitären Haus in Halle wurde er aber vollends ins Lächerliche gezogen: So arbeitete man Tür an Tür mit rechtsextremen Ideologen, die sich bereits durch Tätlichkeiten gegen Studierende und Beamte ausgezeichnet hatten.

Generell ist die Zusammenarbeit der AfD mit radikalen Akteuren der neuen Rechten immer unverhohlener geworden. Eine Reportage des MDR mit dem Titel „Am rechten Rand“ hat kürzlich deutlich gezeigt, wohin die Reise geht. Sie hat transparent gemacht, wie fest die Netzwerke zwischen der AfD und der Identitären Bewegung, aber auch die Bande zu ehemaligen NPD-Kadern und völkisch-nationalen Burschenschaften sind. Immer vorn mit dabei: Akteure aus Sachsen-Anhalt.

Das einzige, was bei der AfD zu einem vorgeblichen Umdenken in Bezug auf diesen Umgang führt, ist das Damoklesschwert des Verfassungsschutzes. Denn Ihre an vielen Stellen bröckelige bürgerliche Fassade können Sie so kaum aufrechterhalten

Wie schlau es ist, als AfD selbst ein Gutachten in Auftrag zu geben, dass der Partei attestiert, dass eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz gerechtfertigt sei, lassen wir mal dahingestellt.

Anhaltspunkte für eine Missachtung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zählt es aber anscheinend zur Genüge auf. Nur gut also, wenn in den Verfassungsschutzämtern langsam ein Umdenken hin zu einer Beobachtung erfolgt!

Wer dennoch irgendwelche Zweifel an der Ausrichtung der AfD hatte, brauchte nur nach Chemnitz oder auch nach Köthen zu blicken. Dort wurde die Zusammenarbeit mit den Hetzern von PEGIDA nicht einmal mehr kaschiert.

Dem Schaden an der politischen Kultur, innerhalb wie außerhalb des Parlaments, folgt der Schaden im gesellschaftlichen Klima auf dem Fuße. Mit ihrem Meldeportal will die AfD unter Pädagoginnen und Pädagogen Unsicherheit verbreiten und kritische politische Diskussionen im Unterricht verhindern.

Sollten Lehrerinnen und Lehrer gegen Grundsätze wie das „Überwältigungsverbot“ verstoßen, ist das ein Fall für Verfahren der Aufsichtsbehörden, aber keineswegs für dubiose Datensammlungen der AfD. Abseits solcher Einzelfälle gehört die Befassung und Beurteilung von kontroversen politischen Positionen aber nun einmal in den Schulunterricht – ob es Ihnen passt oder nicht! Ziel der politischen Bildung ist eben nicht die Neutralität, sondern die politische Mündigkeit der zukünftigen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.

Aber auch Lehrkräfte sind mündige Bürgerinnen und Bürger mit einer eigenen politischen Einstellung. Dass sie diese in die Vielfalt der Positionen einreihen, ohne sie hervorzuheben, steht auch nicht im Konflikt mit dem Beutelsbacher Konsens.

Während Sie hier im Landtag und auf der Straße verbal zündeln, ist es sowohl bigott als auch unverschämt, wenn Sie jungen Menschen eine kritische Auseinandersetzung verwehren wollen, indem sie an den Schulen für Verunsicherung sorgen.

Es ist kaum anzunehmen, dass die AfD ihre Radikalisierung oder ihr populistisches Geschäftsmodell stoppen will oder kann. Ich habe trotzdem Hoffnung für eine positive politische Kultur, in der man Demokratie nicht nur als entleertes Verfahren, sondern auch als gelebtes Wertesystem versteht.

Das setzt aber voraus, dass politische Diskussionen mit Achtung und Respekt geführt werden – und dass wir die in unsere Debatten einbeziehen, die im Oktober mit fast 250.000 Teilnehmenden der #unteilbar-Demonstrationen gezeigt haben:

#wirsindmehr und wir bleiben mehr als Sie, darauf können Sie zählen!