Landtagsdebatte über Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Oury Jalloh
28. Februar 2019

Pähle plädiert für schnellen Arbeitsbeginn der juristischen Berater

„Wird Vertrauen in die Polizei in Frage gestellt, dann ist Aufklärung der einzige Weg, um es wiederherzustellen“

Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat heute über einen Antrag der Linksfraktion beraten, einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Ermittlungsverfahren im Fall Oury Jalloh einzusetzen. Der Antrag fand keine Mehrheit. In der Debatte erklärte die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle:

Dass ein Mensch in polizeilichem Gewahrsam, unter staatlicher Obhut stirbt – das ist schlimm genug.

Dass in den Ermittlungen seit 2005 die Umstände dieses Todes nicht aufgeklärt werden konnten und die Schuldfrage nicht beantwortet werden kann; dass die Hinweise, die auf ein Fremdverschulden hindeuten, trotz zahlreicher Sachverständigengutachten nicht abschließend eingeordnet werden können; dass zwischen den verschiedenen beteiligten Staatsanwaltschaften ein Dissens über die rechtliche Interpretation dieser Hinweise und Gutachten unübersehbar im Raum stehen bleibt; dass im Lichte dieses Dissenses der Wechsel in der Zuständigkeit der ermittelnden Staatsanwaltschaften nicht für Abgeordnete und Öffentlichkeit zufriedenstellend begründet werden kann – das ist etwas, womit sich ein Parlament nicht abfinden kann.

Deshalb war es ein Durchbruch im parlamentarischen Umgang mit den Ermittlungen zum Tod von Oury Jalloh, als der Landtag am 24. November 2017 beschloss, die Ermittlungsakten einzusehen. Und es war vor gut acht Monaten eine wichtige Entscheidung des Rechtsausschusses, für diese Akteneinsicht mit Jerzy Montag und Manfred Nötzel zwei versierte juristische Berater zu berufen, die bei ihrer öffentlichen Vorstellung bekundeten, dass sie sich „keiner These, keiner Hypothese und keiner Seite verpflichtet“ fühlen und ohne Vorbehalte an ihre Prüfung herangehen.

Dabei ging es erklärtermaßen nie darum, dass der Landtag oder seine Berater die Todesumstände ermitteln oder gar ein Urteil fällen. Es geht ausschließlich um die Aufarbeitung der Ermittlungstätigkeit selbst; auch den heutigen Antrag verstehe ich so.

Es wäre gut gewesen, und dieses Haus würde heute besser dastehen, wenn diese vorbehaltlose Prüfung längst begonnen hätte. Dann könnten wir besser beurteilen, ob die Einschätzung der Antragsteller trägt, dass jetzt nur noch ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss für Aufklärung sorgen kann. Weil wir dann nämlich das mildere Mittel – die Akteneinsicht durch das Parlament und die fachkundige Einordnung durch unsere juristischen Berater – schon ein gutes Stück vorangebracht hätten.

Dass die beiden Berater ihren Auftrag umgehend erledigen können, ist deshalb das vordringliche Interesse meiner Fraktion. Ich persönlich teile die Einschätzung, dass dafür der Ausgang des Klageerzwingungsverfahrens abgewartet werden muss, ausdrücklich nicht.

Wir haben uns in dieser Wahlperiode – fraktionsübergreifend und mit viel Erfolg – dafür eingesetzt, dass in diesem Land wieder mehr Polizei im aktiven Dienst zur Verfügung steht. Hunderte angehender Polizistinnen und Polizisten durchlaufen an der Fachhochschule Polizei ihre Ausbildung; ich durfte mir von der hohen Qualität dieser Ausbildung mehrfach ein Bild machen. Diese jungen Beamtinnen und Beamten werden ab dem nächsten Jahr in den Städten und Gemeinden unseres Landes Dienst tun. Wir müssen ein gemeinsames Interesse daran haben, dass sie diesen Dienst erhobenen Hauptes und mit der Rückendeckung der Gesellschaft tun können.

Vertrauen in die Polizei und in die Sicherheits- und Ermittlungsbehörden insgesamt kann man aber nicht verordnen. Wird dieses Vertrauen in Frage gestellt, dann ist Aufklärung der einzige Weg, um es wiederherzustellen. Das ist im Fall Oury Jalloh nicht anders als bei Beispielen aus anderen Bundesländern wie dem NSU-Komplex oder aktuell im Fall mutmaßlicher rechtsextremer Polizeibeamter in Frankfurt am Main.

Die Koalitionsfraktionen haben sich entsprechend den Regeln unseres Koalitionsvertrages auf eine Enthaltung zum Antrag auf Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses verständigt.

Umso wichtiger ist es, dass der Landtag alle anderen Möglichkeiten ausschöpft, die er hat, um Aufklärung über die Ermittlungen zu erlangen. Das sind wir dem Andenken an Oury Jalloh schuldig, das sind wir dem Ansehen von Polizei und Staatsanwaltschaft schuldig, und das sind wir unserem Selbstverständnis als Parlamentarierinnen und Parlamentarier schuldig.